Tunnelbrandbekämpfung: Training im Scheibengipfeltunnel

Tunnelbrandbekämpfung: Training im Scheibengipfeltunnel

Aufgrund von Wartungs- und Reinigungsarbeiten wird der Scheibengipfeltunnel in diesen Tagen mehrfach in den Abendstunden gesperrt. Die Abteilung Freiwillige Feuerwehr Stadtmitte der Feuerwehr Reutlingen nutzte diese Gelegenheit, um direkt vor Ort die Grundlagen der Tunnelbrandbekämpfung zu wiederholen. Vor allem für die neuen Mitglieder der Einsatzabteilung war dies eine gute Gelegenheit, sich mit dem Thema zu beschäftigen.

Brände in unterirdischen Verkehrsanlagen (UVA) stellen für die Feuerwehren ganz besondere Herausforderungen. Da macht auch der Reutlinger Scheibengipfeltunnel - immerhin 1,9 Kilometer lang - keine Ausnahme. Schon in der Bauphase, damals noch als sogenannte Rettungswehr beauftragt, begann in Reutlingen die intensive Ausbildung in der Tunnelbrandbekämpfung, die sich deutlich vom klassischen Brandeinsatz unterscheidet. Mehrfach nahmen Kräfte der Abteilung Stadtmitte dabei auch an Kursen in der International Fire Academy im schweizerischen Balsthal teil. Dabei geht die Feuerwehr in ihren Planungen immer vom schlimmsten Fall aus: Einem Brand, der die Kapazität der Rauchabzugsanlage übersteigt. Diese soll im Ernstfall Rauch und Hitze aus der Tunnelröhre ableiten und damit sowohl die Räumung des Tunnels als auch die Brandbekämpfung erleichtern. Fällt diese Anlage aus oder ist die Rauchentwicklung zu stark, so verteilen sich Rauch und Hitze im Tunnel. Hier kommt dann das sogenannte Tunnelwetter ins Spiel: In jedem Tunnel gibt es stets eine Luftströmung, die Rauch und Hitze in Richtung eines Tunnelportals treiben wird. Von der anderen Seite dagegen bleibt der Tunnel bis zum unmittelbaren Schadensereignis nahezu rauchfrei. Allerding: Das Tunnelwetter kann auch umschlagen - und selbst Großlüfter der Feuerwehr können dagegen nicht ankommen.

Hinzu kommt eine weitere Besonderheit: In der Tunnelbrandbekämpfung steht die Strukturkühlung, also das kontrollierte Abkühlen der Tunneldecke im Bereich des Brandherdes zusammen mit der Brandbekämpfung an erster Stelle - die Menschenrettung kann erst dann effektiv durchgeführt werden, wenn die Brandbekämpfung Erfolge zeigt. Daher gibt es in der Tunnelbrandbekämpfung besondere Vorgehensweisen: Kommt es zu einem Brandalarm aus dem Tunnel, rücken umgehend Löschzüge zu beiden Portalen an. Im Fall des Scheibengipfeltunnels übernimmt die Feuerwehr Reutlingen diese Aufgabe am Nordportal, während am Südportal die Freiwilligen Feuerwehren Eningen und Pfullingen in den Einsatz gehen. Je nachdem, welches Tunnelportal rauchfrei ist, fahren die Löschfahrzeuge der Feuerwehr von der rauchfreien Seite in den Tunnel ein - im Optimalfall bis kurz vor das Brandereignis, wobei vor der ersten freien Rauchabzugsöffnung als Sicherheitsabstand angehalten werden sollte. Die Einsatzkräfte beginnen auf dieser Seite umgehend mit der Brandbekämpfung und Strukturkühlung. Hier kommen jeweils zwei Trupps mit C-Rohren gleichzeitig zum Einsatz, um tatsächlich die komplette Tunneldecke und die Seitenwände mit dem Löschwasser zu erreichen. Ein Gruppenführer mit einer Wärmebildkamera leitet die Trupps entsprechend an.

Auf der verrauchten Seite wird zunächst ein Zwei-Mann-Trupp unter Atemschutz als Erkundungstrupp durch die verrauchte Röhre vorgeschickt. Dieser Trupp soll sich möglichst schnell zur Brandstelle vorarbeiten und dabei unterwegs melden, ob beispielsweise Fahrzeuge mit Gefahrstoffen oder Personen in Fahrzeugen zu finden sind. Auf Anleitung des Erkundungstruppes geht dann ein Löschtrupp mit fünf Atemschutzgeräteträgern durch den rauchfreien Rettungsstollen vor, um dann über einen der sieben Querschläge in den Haupttunnel zu wechseln und die Brandbekämpfung von dieser Seite aus vorzunehmen. Ein weiterer Fünf-Mann-Trupp wird dann möglichst zeitgleich als Rettungstrupp eingesetzt, um Personen aus der verrauchten Tunnelröhre zu retten, die den Tunnel nicht aus eigener Kraft verlassen konnten oder die vom Rauch eingeschlossen wurden - in letzterem Fall bietet das Fahrzeug mit seinem Luftvorrat für gewisse Zeit einen Schutz vor den Atemgiften außerhalb des Fahrzeugs. Der Rettungstrupp ist mit einer Wärmebildkamera (Gruppenführer) und Blindenstöcken ausgestattet, um auch im aufrechten Gehen den Boden und den Unterboden der Fahrzeuge nach gestürzten Personen absuchen zu können. Alle Trupps haben zudem Markierungsleuchten dabei, die in drei Farben die Orientierung erleichtern sollen: Grün steht dabei für Ausgänge und Rettungswege, Gelb für aufgefundene Personen und als Markierung für den bereits abgesuchten Bereich, Blau für die Lage von Wasserentnahmestellen und für die Lage des Verteilers.

Auf eine solche theoretische Einweisung auf der Feuerwache folgte dann ein Blick in die praktische Arbeit vor Ort im Scheibengipfeltunnel. Dabei wurde anderem die Tunnelfunkanlage besprochen und das für die Feuerwehr im Tunnel gelagerte Rettungsgerät in Augenschein genommen. An beiden Tunnelportalen gibt es Einsatz- und Transportmittel für die Feuerwehr, etwa das Material für einen vollständigen Löschangriff sowie zwei Schleifkorbtragen, die zum schnellen Transport mit Rädern ausgestattet sind. Im Tunnel selbst wurden die Tunnelhydranten in Augenschein genommen, außerdem die Brandbekämpfung und das Absuchen der Tunnelröhre trainiert. Die Abteilung Freiwillige Feuerwehr Stadtmitte fuhr hierzu mit einem Löschfahrzeug, einem Tanklöschfahrzeug und zwei Mannschaftstransportwagen in die Röhre.

Alexander Thomys


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